Folge #23 – Wie du mit Druck besser umgehen kannst

FOLGENZUSAMMENFASSUNG:

In dieser Podcastfolge geht es um den Umgang mit Drucksituationen, ihre Definition und Bedeutung. Der Host teilt persönliche Erfahrungen und 22 bewährte Methoden zur besseren Bewältigung solcher Momente. Zusätzlich wird erläutert, warum Unterstützung, Anreize und Wettbewerb oft kontraproduktiv sind und wie Führungskräfte psychologische Sicherheit im Team fördern können.

 

In dieser Folge geht es um den Umgang mit Drucksituationen, was genau ich unter einer Drucksituation verstehe, warum der Umgang damit wichtig ist und wie du persönlich mit einfachen Maßnahmen besser damit umgehen kannst.

Zuvor aber noch eine kurze Bemerkung zum Intro. Meine regelmäßigen Höhrer:innen haben vielleicht bemerkt, dass das Intro nun deutlich kürzer ist. Den Hinweis dazu habe ich von Nico Leuenberger von der Podcastschmiede erhalten. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön!

Nachdem ich mich vor einigen Jahren entschieden hatte, aus dem IT-Projektgeschäft auszusteigen und mich ganz der Organisationsentwicklung zu widmen, kam irgendwann der Moment, an dem der erste Workshop mit meinem ersten „richtigen“ Kunden bevorstand. In den Wochen zuvor hatte ich mich sehr gut vorbereitet. Um auf eventuelle Pannen vorbereitet zu sein, fuhr ich sehr früh morgens mit dem Auto zum Workshopraum. Ich war nervös. Ich war angespannt. Ich stand unter Druck. Vor Ort bereitete ich den Raum vor, achtete auf jedes Detail und war eine gute halbe Stunde vor Ankunft des Kunden bereit. Die Nervosität legte sich allmählich und verwandelte sich in Freude. Der Workshop verlief gut und der Kunde war am Ende mit dem Ergebnis zufrieden. Ich hatte die Drucksituation gemeistert. Ich war in Drucksituationen nicht immer so erfolgreich. Mir war lange nicht bewusst, warum ich bestimmte Situationen besser meistere als andere. Heute weiß ich, welche Methoden und Werkzeuge mir helfen, unter Druck bessere Ergebnisse zu erzielen und kann sie gezielt einsetzen.

❗Bevor ich meine Tools vorstelle, muss ich noch klar definieren, was ich unter Druck verstehe und was nicht. Druck ist nicht dasselbe wie Stress.

Als Stress bezeichne ich Situationen, in denen deutlich mehr von mir verlangt wird, als ich leisten kann und in denen die Ressourcen wie Zeit, Geld und Energie nicht ausreichen, um allen Anforderungen gerecht zu werden.

Im Gegensatz dazu sind Drucksituationen durch drei Merkmale gekennzeichnet:

  1. Das Ergebnis ist mir wichtig. Es hängt viel davon ab, wie das Ergebnis aussieht.
  2. Der Ausgang ist ungewiss. Es besteht also eine große Unsicherheit, ob ich „gewinne“ oder „verliere“.
  3. Ich weiß, dass ich hauptsächlich für das Ergebnis verantwortlich bin und auch daran gemessen werde.

 

Es geht also bei Drucksituationen nicht um eine hohe Arbeitsbelastung, sondern um eine hohe psychische Belastung. Und da sind wir Menschen sehr unterschiedlich. Für den einen ist ein Auftritt vor vielen Menschen auf einer Bühne eine Drucksituation, für den anderen ein Glücksbad. Genauso kann ein bevorstehendes Kündigungsgespräch für die eine Unternehmerin ein Druckmoment sein, während andere ganz entspannt damit umgehen.

Warum ist es also wichtig, solche Momente so gut wie möglich zu meistern?
Die Antwort liegt in der Biochemie des Menschen. Verschiedene wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass der menschliche Körper in Drucksituationen mit einem Hormoncocktail überschwemmt wird. Dieser Mechanismus ist auch im Hinblick auf unsere Evolution verständlich. Unsere Vorfahren erlebten regelmäßig Drucksituationen, in denen es um Leben und Tod ging. Wer plötzlich einem Säbelzahntiger oder einem Mammut gegenüberstand, wusste, dass es ernst wurde. Alle drei oben genannten Bedingungen für eine Drucksituation waren erfüllt. Die Begegnung war lebensbedrohlich, der Ausgang ungewiss und das eigene Handeln entscheidend für das Ergebnis. Wer in einer solchen Situation mehr Reserven abrufen konnte, war im Vorteil. Diese Reserven konnten durch Hormone wie Adrenalin sehr schnell aktiviert werden. Der Nachteil dieser Hormonausschüttung ist jedoch, dass unsere Intelligenz deutlich nachlässt. Unser Körper schaltet auf Automatik und ruft irgendwelche Muster ab, die er für passend hält. Das kann manchmal gut gehen, ist aber meistens nicht die rational beste Lösung.

Da heute kaum noch Druckmomente über Leben und Tod entscheiden, ist es wichtig, die Biochemie in den Griff zu bekommen. Alle in diesem Podcast vorgestellten Methoden zielen darauf ab:

  • Gefühle wie Angst, Stress, Furcht und Verlegenheit zu reduzieren,
  • Ablenkung zu vermeiden,
  • Erregung zu regulieren,
  • das eigene Verhalten bewusst zu steuern
  • und sich auf das zu konzentrieren, was effektiv hilft.


❗Gerade als Führungskraft hilft uns das, deutlich bessere Teams zu bilden. Wenn wir mit Drucksituationen besser umgehen können, steigt die psychologische Sicherheit im Team und unsere Teammitglieder sind in der Lage, deutlich bessere Ergebnisse zu liefern.

So wie wir mit unseren persönlichen Druckmomenten besser umgehen müssen, sollten wir auch vermeiden, bei unseren Mitarbeitenden Druckmomente zu erzeugen. Sehr oft tun Führungskräfte und Unternehmer dies unbewusst und in bester Absicht. Sie bewirken damit aber genau das Gegenteil. Wenn ich das meinen Kunden erkläre, reagieren sie oft mit Unverständnis. Das wirkt auf den ersten Blick kontraintuitiv. Die Forschung zeigt aber ganz klar, dass wir solche künstlichen Druckmomente vermeiden sollten.

Im Wesentlichen sind es die folgenden drei:

  1. Unterstützung
  2. Anreize
  3. Wettbewerb


Wenn wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen, tun wir das, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Unterstützung kann aber auch viel Druck erzeugen, weil sie Fehler und Schwächen sichtbarer macht. Stell dir vor, du musst einen Elfmeter schießen. Es gibt zwei Möglichkeiten: Bei der ersten sind du und der Torwart allein. Bei der zweiten hast du deine ganze Mannschaft am Spielfeldrand, die dich unterstützt. Was meinst du, in welcher Situation ist die Chance größer, dass du den Ball ins Tor schießt? Richtig, in der ersten. Diese gut gemeinte Unterstützung erhöht den Druck und lässt dich eher einen Fehler machen und scheitern.

Anreize werden sehr oft gerade von sehr wettbewerbsorientierten Unternehmern eingesetzt, um die Mitarbeitenden zu motivieren. „Wenn du dieses Problem löst, bekommst du 1000 Franken in die Hand“. Dieser Anreiz setzt gewisse Personen derart unter Druck, dass sie sich blockieren und an der Aufgabe scheitern.

Teilweise werden auch künstliche Konkurrenzsituationen zur Motivation eingesetzt. Wenn zwei Mitarbeitende mit dem gleichen Problem oder der gleichen Arbeit betraut werden und der Erste oder Bessere gewinnt, kann dies ebenfalls so viel Druck erzeugen, dass das Ergebnis schlechter ausfällt, als wenn man die Mitarbeitenden einfach hätte machen lassen.

❗Ich behaupte nicht, dass Unterstützung, Anreize oder Wettbewerb immer zu Druck auf die Mitarbeitenden führen. Aber es gibt klare Hinweise aus der Forschung, dass ohne diese Druckmechanismen in der Regel bessere Ergebnisse erzielt werden.

Im letzten Teil dieses Podcasts möchte ich dir nun 22 bewährte Methoden vorstellen, wie du persönlich besser mit Drucksituationen umgehen kannst. Die meisten dieser Methoden sind sehr einfach und mit wenig Aufwand umzusetzen. Einige kannst du vor dem Druckmoment anwenden, andere direkt im Druckmoment. Alle Methoden sind wissenschaftlich erforscht und funktionieren nachweislich. Sie stammen aus dem Buch „Performing under Pressure“ von Dr. Hendrie Weisinger und Pawliw Fry.

Im Folgenden stelle ich dir die 22 Methoden einzeln kurz vor:

  1. Freunde dich mit der Situation an: Bevor du dich in eine Drucksituation begibst, solltest du dich mit ihr anfreunden und prüfen, ob es sich wirklich um eine Drucksituation handelt. Versuche, sie als Herausforderung und als Chance zu sehen, an ihr zu wachsen. Das kannst du auch im Alltag üben, indem du auch kleine Herausforderungen als Chance siehst, zu wachsen.
  2. Es gibt nicht nur eine Chance. Wir alle bekommen im Leben immer wieder neue Chancen. Selten, wenn überhaupt, ist eine Chance so einmalig, dass sie nie wiederkommt. Überzeuge dich selbst, bevor du dich unter Druck setzt, dass dies nur eine von vielen Möglichkeiten ist.
  3. Bewerte die Bedeutung. Ist das Ergebnis dieser Drucksituation wirklich so wichtig, wie es scheint? Gibt es nicht wichtigere Dinge in deinem Leben? Erstelle in einer ruhigen Minute eine Liste mit den wichtigsten Menschen und Dingen in deinem Leben. Rufe dir diese Liste kurz vor dem Druckmoment (z.B. dem Auftritt) ins Gedächtnis.
  4. Konzentriere dich auf die Aufgabe, nicht auf das Ergebnis. Wenn du also ein Golfturnier vor dir hast, konzentriere dich auf das Spiel und nicht auf das Ergebnis. Das Gleiche gilt für meine Workshops. Ich messe das Ergebnis all meiner Workshops am Ende, indem ich eine kurze Umfrage unter allen Teilnehmenden durchführe. Aber während des Workshops denke ich nicht einen Moment an diese Auswertung. Stattdessen konzentriere ich mich auf meine Rolle als Moderator, Trainer und Mentor.
  5. Plane für alle Eventualitäten. Stelle dir „Was wäre wenn…“ Fragen, um herauszufinden, was alles Schlimmes oder Unerwartetes passieren könnte. Überlege dir im Voraus, was du verhindern kannst und wie du reagieren willst. Erwarte das Unerwartete! Ich nehme zum Beispiel immer meine eigenen Whiteboardmarker und Flipchartblätter sowie eine Raumkamera und einen Lautsprecher mit, wenn ich einen Workshop an einem fremden Ort durchführe. Trotz klarer Instruktionen und aller Planung habe ich es immer wieder erlebt, dass die Infrastruktur vor Ort nicht meinen Anforderungen entsprach oder ein Teilnehmer doch nicht vor Ort war.
  6. Mache dir bewusst, dass du unabhängig vom Ausgang der Situation wertvoll bist.
  7. Erinnere dich an deine Erfahrung, deine Fähigkeiten und andere positive Eigenschaften, die dich ausmachen. Schreibe deine Werte auf und mache dir bewusst, dass deine Identität nicht nur mit der Aufgabe zu tun hat, die du gerade erledigen musst. Schreibe deine positiven Eigenschaften auf und nimm dir jeden Tag ein paar Minuten Zeit, um sie zu würdigen.
    Erinnere dich an deine Erfolge. Nimm dir regelmäßig Zeit, um dich an erfolgreich gemeisterte Druckmomente zu erinnern. Konzentriere dich dabei auf das, was du gut gemacht hast. Benutze dabei alle deine Sinne und sage zu dir selbst: „Ich habe es geschafft!“
  8. Übe positives Denken. Visualisiere den Erfolg vor und während der Drucksituation. Gehe von einem positiven Ergebnis aus und ermutige dich im Selbstgespräch.
  9. Konzentriere dich auf den Augenblick. Richte deine Wahrnehmung mit allen Sinnen auf den Augenblick. Was hörst du? Was fühlst du? Wie riecht es? etc. Versuche, den Druck (Publikum etc.) auszublenden.
  10. Konzentriere dich auf das, was du kontrollieren kannst und wende dich von dem ab, was du nicht kontrollieren kannst. Schreibe dir vorher auf, welche Dinge das sind.
  11. Höre deine Musik. Suche dir ein oder zwei Musikstücke oder Lieder aus, die du magst und die dich von der bevorstehenden Aufgabe ablenken. Höre die Musik bis kurz vor dem entscheidenden Moment. Ich mache das seit vielen Jahren und erinnere mich noch genau an das Lied, das ich vor meinen ersten Workshops gehört habe (es war „We Still Grow“ von „Gare Du Nord“).
  12. Setze einen Anker. Denke an ein Wort oder ein holistisches Bild als Schlüsselwort, um deine Leistung zu steuern. Erinnere dich an diesen Anker, bevor du das nächste Mal unter Druck gerätst. Für mich war es immer Wachstum. Mit dem Lied aus der vorherigen Methode konnte ich beide Methoden immer wieder verbinden.
  13. Setze dich selbst gezielt unter Druck. Schaffe dir selbst künstliche Drucksituationen, in denen du dich den gleichen oder noch schlimmeren Bedingungen aussetzt, wie sie in der realen Drucksituation herrschen. So kannst du dich desensibilisieren und widerstandsfähiger werden. Wenn du zum Beispiel ein Musikkonzert hast, kannst du an einen sehr lauten Ort wie einen Flughafen gehen und dort üben.
  14. Besorge dir einen Anti-Stress-Ball. Gib den Druck körperlich an den Ball weiter. Das beruhigt und hilft.
  15. Schreibe es auf. Schreibe dir die Situation und deine Sorgen auf. Schwarz auf weiß sieht vieles nicht mehr so schlimm aus, wie es im Kopf erscheint.
  16. Exponiere dich, indem du dich auf Video aufnimmst oder vor wohlwollenden Menschen übst. Die Videoaufnahmen kannst du übrigens wieder löschen, ohne sie zu sehen. Allein die Aufnahme hilft dir, mit dem Druckmoment besser umzugehen.
  17. Meditiere, um dich zu entspannen. Ich persönlich kann damit nichts anfangen, aber ich weiß, dass es vielen Menschen sehr gut tut.
  18. Übe eine Vorroutine und führe sie vor dem Druckmoment aus. Viele Sportler machen das für die wichtigsten Momente in ihrem Spiel, zum Beispiel beim Aufschlag im Tennis.
  19. Mach langsam. Geschwindigkeit und Zeitdruck können zu irrationalen Entscheidungen führen. Versuche deshalb, Geschwindigkeit herauszunehmen. Nicht alles ist gleich dringend. Wende bei wichtigen Entscheidungen die 24-Stunden-Regel an – vor allem, wenn dich jemand zu einer schnellen Entscheidung drängt.
  20. Atme natürlich und langsam. Unsere Atmung hilft uns, unsere Anspannung zu kontrollieren. Finde eine Atemtechnik, die dir hilft, zur Ruhe zu kommen, und übe sie regelmäßig.
  21. Melde dich als Erste, wenn du mit der Aufgabe vertraut bist, und als Zweite, wenn es sich um eine völlig neue Aufgabe handelt. Wenn du dich als Erste meldest, wirst du nicht mit deiner Vorgängerin verglichen. Aber alle anderen werden an dir gemessen. Deshalb ist es immer von Vorteil, die Erste zu sein. Wenn du dir nicht sicher bist, was von dir erwartet wird, versuche es als Zweite. Dann weißt du, wie es geht, und hast immer noch den Vorteil, einer der Ersten zu sein. Je später du bist, desto grösser ist die Chance, dass jemand eine Spitzenleistung erbringt, an der alle anderen gemessen werden und die nicht mehr zu übertreffen ist.
  22. Teile deinen Druck, indem du mit anderen sprichst. Wenn du dich nicht traust oder niemanden hast, mit dem du reden kannst, kannst du ein Tagebuch führen, eine Tonaufnahme machen oder einfach in einen leeren Raum sprechen. Wenn du religiös bist, kannst du auch beten – das Prinzip ist dasselbe.


Nicht jede dieser Methoden spricht alle Menschen gleich an und nicht alle sind für jede Situation gleich gut geeignet.
Ich habe einige für mich ausgewählt, sie verinnerlicht und gelernt, sie in den entsprechenden Situationen wie ein Notfallset anzuwenden. Dieses Notfallset ist ein wichtiger erster Schritt. Aber um dauerhaft besser mit Druckmomenten umgehen zu können, braucht es mehr: Selbstvertrauen, Optimismus, Ausdauer und Begeisterung. Alles Eigenschaften und Fähigkeiten, die man trainieren kann. Vielleicht mache ich dazu mal eine eigene Folge hier in meinem Podcast.

Zum Schluss wie immer die Zusammenfassung der heutigen Folge:

  • Wir haben alle unsere Druckmomente
  • Druckmomente sind Situationen, die wichtig sind, eine große Unsicherheit mit sich bringen und im Wesentlichen von unserer Leistung abhängen.
  • Je besser wir mit Druckmomenten umgehen, desto bessere Entscheidungen werden wir treffen und desto bessere Leistungen werden wir erbringen.
  • Als Führungskraft sollten wir bei unseren Mitarbeitenden keinen Druck erzeugen. Druckmomente entstehen durch Unterstützung, Anreize oder Konkurrenz.
  • Um mit Drucksituationen besser umgehen zu können, gibt es ein ganzes Bündel von Sofortmassnahmen.


Wie eingangs erwähnt, stammen die Methoden und auch einige Konzepte dieser Serie aus dem Buch „Performing under Pressure“ von Hendrie Weisinger und Pawliw Fry. Das Buch verlinke ich wie immer in den Shownotes.

In der nächsten Folge zeige ich dir, wie wichtig Vertrauen im Team ist und wie du Vertrauen aufbauen und verbessern kannst. Ich freue mich, wenn du wieder dabei bist.

Auf jeden Fall wünsche ich dir viel Erfolg und Spaß in deinem Business. Bis zum nächsten Mal!