Folge #18.2 – Das Beste aus zwei Welten: Visionär:in und Umsetzer:in

FOLGENZUSAMMENFASSUNG:

In dieser Folge zeige ich dir, wie Visionär:innen und Umsetzer:innen die Leistungsfähigkeit von Unternehmen steigern können. Ich erkläre dir auch, wie wichtig es ist, die Rollen klar zu definieren und die richtigen Personen für diese Schlüsselpositionen auszuwählen. Eine solche Partnerschaft kann nicht nur das Unternehmenswachstum beschleunigen, sondern auch die persönliche Entwicklung der Beteiligten fördern. Ich gebe dir praktische Schritte für den Aufbau und die Pflege dieser Beziehung an die Hand, darunter regelmäßige Abstimmungsgespräche und der Einhaltung bestimmter Regeln zur Konfliktlösung.

In den letzten beiden Folgen habe ich dir die Eigenschaften, Stärken und Schwächen von Visionäri:nnen und Umsetzer:innen erklärt. Ich habe dir auch gezeigt, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um ein:e Umsetzer:in einzustellen und unter welchen Umständen ein Unternehmen wirklich davon profitiert. In dieser letzten Folge zum Thema geht es darum, wie du diese tiefgreifende Veränderung in deinem Unternehmen und in deinem Leben erfolgreich umsetzen kannst.

Bevor ich auf die Rekrutierung und den erfolgreichen Einsatz des Duos aus Visionär:in und Umsetzer:in eingehe, möchte ich noch einmal aufzeigen, was das alles bewirken kann.

Einer meiner ersten Kunden, ein Versicherungsmakler, hat sich gleich zu Beginn unserer Zusammenarbeit für dieses Modell entschieden. Als wir vor gut drei Jahren gestartet sind, hatten sie etwa 10 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Unternehmen wurde von drei Partnern geführt, von denen einer, der Gründer, als primus inter pares die Rolle des CEO innehatte. Der CEO hatte das Unternehmen von Grund auf neu aufgebaut – damals mit zwei weiteren Gründern, die beide das Unternehmen verlassen hatten. Als ich den Gesellschaftern das Konzept des Visionärs und Umsetzers vorstellte, waren sie sich sofort einig, dass dies auf sie zutreffen würde. Der CEO war die Verkörperung des Visionärs. Gleichzeitig war einer der Partner das genaue Gegenteil, nämlich der geborene Umsetzer. Die Aufteilung zwischen den beiden gab dem Unternehmen einen enormen Schub. Der Visionär hat in den drei Jahren einige sehr strategische Projekte angestoßen und mit dem Umsetzer umgesetzt und damit eine Basis geschaffen, mit der das Unternehmen hochprofitabel den Umsatz mehr als verdoppelt hat und nun eine Basis hat, mit der weiteres Wachstum nicht mehr zu bremsen ist. Der CEO konnte sein Leben leben und genau das tun, was er am liebsten tut: große Deals an Land ziehen und große Projekte umsetzen.

Das ist der Idealfall. Hier hat alles gepasst. Die beiden Partner passten einfach perfekt zusammen, der CEO ein Visionär wie aus dem Bilderbuch, der Umsetzer und COO auf der anderen Seite ein sehr gewissenhafter und detailversessener Manager, der die Organisation im Hintergrund konsequent und stringent vorantreibt und die Erfolge und Gewinne realisiert.

Aber auch zwischen diesen beiden gab und gibt es Spannungen und Differenzen. Viele Visionär:innen kommen an ihren Umsetzer:innen nicht vorbei. Dank vieler Gespräche und guter Absprachen zwischen den beiden haben sie eine Ebene gefunden, mit der beide umgehen können.

🌟Jetzt bist du sicher gespannt, wie auch du ein solches Dream-Team bilden kannst.

Die erfolgreiche Einführung des Visionäri:nnen- und Umsetzer:innen-Duos erfordert einige Planung.

▪️Der erste Schritt ist die Klärung der Rollen und Verantwortlichkeiten. Deshalb beginne ich mit meinen Kundinnen und Kunden immer mit dem Accountability Chart. Die Grundlagen dazu kannst du dir in Folge 10 dieses Podcasts noch einmal anhören. Das Besondere am Duo Visionär:in und Umsetzer:in ist nun die Definition dieser beiden Positionen.

Zunächst ist festzuhalten, dass der/die Visionär:in immer Teil des Führungsteams ist und somit auch an allen Sitzungen des Führungsteams teilnimmt. Der/Die Umsetzer:in ist der Visionär:in direkt unterstellt. Der Rest des Managementteams berichtet jedoch an den/die Umsetzer:in und nicht an den/die Visionär:in. Der/Die Umsetzer:in ist für alle operativen Dinge wie Gewinn, Umsetzung des Businessplans, Führung des Führungsteams etc. verantwortlich, während die Visionärin für die kreativen Dinge, die Außenwirkung, die Kultur und die großen Beziehungen zuständig ist. Im Gegensatz zu allen anderen Positionen im Unternehmen ist die Position des/der Visionär:in maßgeschneidert. Kein/Keine Visionär:in gleicht dem/der anderen. Die Position des/der Umsetzer:in hingegen wird dem/der Visionär:in und den Bedürfnissen des Unternehmens angepasst.

Dies hat auch zur Folge, dass der/die Umsetzer:in die Person ist, die letztendlich die Entscheidungen trifft – immer in Absprache mit dem/der Visionär:in. Dass dies gerade für Visionär:innen, die neu in diese Rolle schlüpfen, nicht einfach ist, liegt auf der Hand.

❕Das ist auch eine der wesentlichen Herausforderungen der Transformation: nicht loslassen zu können. Das heißt nicht, dass der/die Visionär:in nicht alles mit dem Team besprechen darf. Aber er/sie darf den/die Umsetzer:in nicht übergehen und keine Entscheidungen treffen. Der/Die Umsetzer:in führt das Team und trägt die Verantwortung für den Erfolg, nicht der/die Visionär:in.

Ich selbst war einmal in der Position des Umsetzers, als der Visionär mich eine Personalentscheidung nicht umsetzen ließ. Seine Frau hatte die Rolle der Finanzen, war damit aber maßlos überfordert. Am Ende haben wir uns getrennt und die Firma ist zusammengebrochen. Mehr dazu in Folge 12, in der es um das Cash-Management im Unternehmen geht.

Eine weitere Herausforderung ist, wenn der/die Visionär:in neben der Visionärsposition noch andere Positionen im Managementteam hat. Sehr oft ist dies die Position des Verkäufers. Damit das funktioniert, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein:

  1. Der/Die Visionär:in muss die zweite Rolle im Führungsteam gemäß dem Accountability Chart auch wirklich ausfüllen können, muss also „Right Seat“ sein.
  2. In dieser Rolle muss er/sie sich klar den Entscheidungen des/der Umsetzer:in unterordnen.


Mittel- bis langfristig müssen solche Doppelfunktionen aufgelöst werden, damit beide ihre Fähigkeiten voll entfalten können und keine Interessenkonflikte entstehen.

✔ Wenn das Profil des/der Umsetzer:in klar ist, kannst du dich auf die Suche nach der geeigneten Person machen. Erstelle ein klares Anforderungsprofil und nutze alle möglichen Kanäle wie Headhunter, dein Netzwerk, interne Kandidaten, um die richtige Person zu finden. Wenn du schnell jemanden finden musst, kannst du die Zeit auch mit einer befristeten Teilzeitkraft überbrücken. Inzwischen gibt es einige Personen, die sich darauf spezialisiert haben und viel Erfahrung mitbringen, die dir auch bei der Suche und Einstellung der zukünftigen Umsetzerin helfen können. Dabei ist es nicht so wichtig, ob sich die Person in deiner Branche auskennt. Ein guter Umsetzer bzw. eine gute Umsetzerin kann auch in völlig fremden Branchen erfolgreich sein.

❕Im Idealfall beginnst du mit der Suche nach einem geeigneten kandidaten/einer geeigneten Kandidatin, lange bevor du die Voraussetzungen für den Einsatz eine:r Umsetzer:in erfüllst. Erstelle eine Liste mit möglichen Kandidaten und halte sie auf dem Laufenden. So kannst du im entscheidenden Moment auf die Personen zugreifen und besser und schneller rekrutieren.

Wenn du deine:n Umsetzer:in gefunden hast, geht es darum, die neue Führungsstruktur zu leben. Dabei sollte man sich an die folgenden 5 Regeln halten:

▪️Regel Nummer eins: Ein gemeinsames Verständnis über die Führung des Unternehmens. Ihr müsst euch über die wesentlichen Themen, Herausforderungen und Entscheidungen im Unternehmen im Klaren sein. Das erreicht man durch regelmäßige Abstimmungsgespräche. Diese Meetings finden am besten alle ein bis vier Wochen statt und dauern einen halben Tag. Geht dafür raus aus dem Büro und trefft euch an einem Ort, an dem ihr euch gut unterhalten könnt.

Ich empfehle folgende Agenda

1. Check-In: Wie geht es euch beiden? Wie geht es dem Team? Wie geht es euch privat? 15 bis 30 Minuten solltet ihr für den Rapport nutzen.

2. Der/Die Umsetzer:in stellt des/der Visionär:in Fragen. Die Antworten darauf schreibt ihr auf eine Themenliste:

  • Was geht dir durch den Kopf?
  • Wo fühlst du dich frustriert/abgekoppelt?
  • Wo hast du das Gefühl, dass deine Vision nicht umgesetzt wird?
  • Was hat dich sonst noch nachts wachgehalten?
  • Was müssen wir für dich tun?
  • Weitere Fragen, die dem/der Umsetzer:in einfallen, um die Themen herauszuarbeiten.

3. Der/Die Visionär:in stellt dem Umsetzer Fragen. Auch diese Antworten schreibt ihr auf eine Themenliste:

  • Wo bist du dir über meine Erwartungen im Unklaren?
  • Wo fühlst du dich festgefahren?
  • Wo hast du Probleme mit Mitarbeitenden?
  • Bist du dir 100%ig sicher, dass wir klare Erwartungen aneinander haben?
  • Kommunizieren wir gut miteinander?
  • Wo brauchst du meine Unterstützung?
  • Weitere Fragen, die dem/der Visionär:in einfallen, um die Probleme herauszuarbeiten.

4. Gehe die Themen durch, diskutiert sie, entscheidet und legt fest, wer was bis zum nächsten Mal erledigt.

5. Am Ende des Meetings solltet ihr beide überzeugt sein, dass die wesentlichen Punkte geklärt sind und dass ihr wieder ein gemeinsames Verständnis darüber haben, wie das Unternehmen geführt werden soll.

▪️Zweite Regel: Keine Abkürzungen. Gerade zu Beginn der Trennung zwischen Visionär:in und Integrator:in kommt es häufig vor, dass sich die anderen Mitglieder des Führungsteams wie bisher an den/die Visionär:in wenden, wenn sie ein Anliegen haben. Das ist natürlich und sollte nicht bestraft werden. Der/Die Visionär:in muss sich aber darüber im Klaren sein, dass er/sie nicht mehr entscheiden darf. Er/Sie soll sich die Sorgen und Nöte der Mitarbeitenden anhören, aber am Ende deutlich machen, dass die Entscheidung nicht bei ihm liegt und dem Mitarbeitenden die Frage stellen: „Sagst du es dem/der Umsetzer:in oder soll ich das machen? Einer von uns muss es tun. Wenn du es nicht tust, tue ich es“.

▪️Regel Nummer drei: Der/Die Umsetzer:in entscheidet bei Meinungsverschiedenheiten im Führungsteam. Wenn sich das Team nicht einig ist, hat nicht der/die Visionär:in, sondern der/die Umsetzer:in das letzte Wort. Heißt das, der/die Visionär:in sollte den/die Umsetzer:in nie überstimmen? Nein, aber es sollte erstens sehr selten vorkommen und wenn, dann sollte es in einem Abstimmungsgespräch geklärt werden. Wenn eine solche Situation eintritt, sollte der/die Visionär:in darauf bestehen, das Thema noch einmal mit dem/der Umsetzer:in zu besprechen. Treten diese Situationen zu häufig auf, ist dies ein Zeichen dafür, dass der/die Umsetzer:in nicht zum/zur Visionär:in passt. Dasselbe gilt, wenn der/die Umsetzer:in zu oft zögert, eine Entscheidung zu treffen.

▪️Regel 4: Du bist ein Mitarbeitender, wenn du im Unternehmen arbeitest. Es ist wichtig zu erkennen, dass die Rolle als Visionär:in oder Umsetzer:in klar von der Rolle als Teilhaber:in zu trennen ist. Als Teilhaber:in hat man andere Rechte und Pflichten als als Mitarbeitender. Die Trennung zwischen Eigentümer:in und Mitarbeitender werde ich in einer späteren Folge noch vertiefen. An dieser Stelle möchte ich nur darauf hinweisen, dass für Mitarbeitende, auch Visionär:innen und Umsetzer:innen, folgende Regeln gelten müssen:

  • Trete als Team auf und handle als Mitglied deines Teams. Du trägst Entscheidungen mit. Die Rolle als Teilhaber:in oder Eigentümer:in berechtigt nicht dazu, dir Sonderrechte zu nehmen.
  • Entscheidungen trifft der/die Umsetzer:in. Allfällige Differenzen müssen im Abstimmungsgespräch zwischen dem/der Visionär:in und dem/der Umsetzer:in oder in der Eigentümerversammlung geklärt werden.
  • Mache keine Politik und schneide „Abkürzungen“ konsequent ab.
  • Übernimm Verantwortung für deine Position. Halte dich an die Regeln. Du musst die richtige Person für den richtigen Job sein.
  • Du kannst entlassen werden.

Dafür hast du als Eigentümer:in nur zwei Rechte: Deinen Anteil am Gewinn und Einfluss auf die ganz großen Entscheidungen in der Hauptversammlung.

▪️Regel 5: Augenhöhe. Die Beziehung zwischen Visionär:in und Umsetzer:in funktioniert nur, wenn sie auf Augenhöhe stattfindet. Konkret bedeutet das, dass sich beide als gleichwertige Partner respektieren und behandeln. Ich habe es schon erlebt, dass ein/e Visionär:in in einem Workshop betont hat, er/sie sei Eigentümer des Unternehmens. Das ist Gift für die Beziehung zwischen Visionär:in und Umsetzer:in und zeugt NICHT von einer Beziehung auf Augenhöhe.

Wenn man sich an diese fünf Regeln hält, hat man gute Chancen, gemeinsam erfolgreich zu sein.

Der ganze Prozess der Einarbeitung und Etablierung eines/einer Umsetzer:in braucht Zeit. Ich empfehle, zwei Meilensteine zu setzen. Der erste ist nach 90 Tagen. In den ersten 90 Tagen sollte der/die neue Umsetzer:in dich als Visionär:in begleiten, beobachten und Fragen stellen, aber noch nicht die Verantwortung für das Unternehmen übernehmen. Der zweite Meilenstein ist nach einem Jahr. Meiner Erfahrung nach ist das ungefähr die Zeit, die einen guten Umsetzer/eine gute Umsetzerin braucht, um vollständig in die Rolle hineinzuwachsen. Nach einem Jahr sollte man auch beurteilen können, ob es funktioniert und entsprechende Konsequenzen ziehen können, wenn es nicht funktioniert.

Abschließend noch einmal die Zusammenfassung dieser Episode:

  • Die Trennung zwischen Visionär:in und Umsetzer:in kann das Wachstum eines Unternehmens stark beschleunigen.
  • Es ist wichtig, die Rollen klar zu definieren und dann die richtige Person für die Position des/der Umsetzers:in zu finden. Gute Umsetzer:innen sind schwer zu finden.
  • Nutze alle verfügbaren Kanäle, um die richtige Person zu finden. Branchenkenntnisse sind nicht das Wichtigste.
  • Damit das Duo erfolgreich ist, müssen einige Grundregeln beachtet werden.
  • Gib dem Projekt ein Jahr Zeit. Beendet die Zusammenarbeit so schnell wie möglich, wenn klar ist, dass es nicht passt.


Dies war die dritte und letzte Folge zum Thema Visionär:in und Umsetzer:in. In den Shownotes findet sich noch die entsprechende Literatur zum Thema. Es handelt sich um folgende drei Bücher:

  • Rocket Fuel von Gino Wickman und Mark C. Winters
  • Hunting in a Farmers World von John F. Dini
  • Make the Noise Go Away von Larry G. Linne

Wenn du mich und diesen Podcast unterstützen möchtest, freue ich mich, wenn du die Bücher über die Links in der Episodenbeschreibung bestellst.

In der nächsten Folge zeige ich dir, wie du gute Mitarbeitergespräche führst und so dein Team zu Höchstleistungen coachen kannst. Ich freue mich, wenn du wieder dabei bist.

Auf jeden Fall wünsche ich dir viel Erfolg und Spass in deinem Business. Bis zum nächsten Mal!