Folge #2: Warum du ein Business-Betriebssystem brauchst

FOLGENZUSAMMENFASSUNG:

In dieser Episode erfährst du von Chris, was ein Business-Betriebssystem ist und warum es entscheidend für den Erfolg deines Unternehmens sein kann. Von amerikanischen bis hin zu europäischen Systemen, erhältst du einen tiefen Einblick in die Welt der Business Operating Systems und wie sie deinem Business weiterhelfen können.

In dieser Folge werde ich dir erklären, was ein Business-Betriebssystem oder Business Operating System ist, und weshalb du eines haben solltest.

In der letzten Folge habe ich dir den Unternehmer-Mythos vorgestellt. Ganz am Schluss habe ich dabei auf ein Buch von Michael Gerber aus den 70er-Jahren hingewiesen: The E-Myth. Dieses Buch hat nicht nur eine Welle von Franchising-Systemen ausgelöst. Es war auch das erste «Business Operating System» für KMU. In seiner Art war es relativ einfach. Aber es war auch revolutionär. Man kann das vielleicht mit den ersten Computer-Betriebssystemen vergleichen – der eine oder andere mag sich vielleicht noch an CP/M oder an die ersten DOS-Versionen erinnern. Auch die waren sehr rudimentär und trotzdem haben sie dem Benutzer das Leben stark vereinfacht im Vergleich mit der Zeit vor den Betriebssystemen

Genauso ist es auch mit den Business Betriebssystemen. Ein Business-Betriebssystem ist eine Sammlung von Werkzeugen und Methoden um ein Unternehmen zu einfacher führen.

Mittlerweile gibt es eine Reihe bekannter Business Operating System auf dem Markt. Die meisten sind in den USA entstanden und gross geworden. Sie alle haben plus minus dieselben Ursprünge. Nebst Michael Gerber beziehen sie sich auch stark auf Verne Harnish, Jim Colins, Stephen Covey und Patrick Lencioni. Auch in Europa und sogar im deutschsprachigen Raum sind ein paar Systeme entstanden. Ich beziehe mich hier im Podcast hauptsächlich auf die vorhin genannten Autoren und die daraus entstandenen – amerikanischen – Systeme. Nicht weil was aus den USA kommt per se besser ist. Ich kenne ganz vieles, was ich schlechter finde als das europäische oder das deutsche bzw. schweizerische Pendant. Der Grund ist ein anderer. Genauer gesagt sind es zwei:

  1. Der amerikanische Markt ist um ein Vielfaches grösser als der deutschsprachige. Es gibt daher viel mehr solche Systeme. Und wer in einem so grossen Markt bestehen will, muss ein sehr gutes Produkt anbieten. Ich glaube daher, dass die amerikanischen Business Operating Systeme die besseren sind.
  2. Damit ein Buch über ein Business Operating System von Unternehmern gelesen wird, muss es einfach und verständlich – sprich leserfreundlich – geschrieben sein. Nicht weil Unternehmer weniger gebildet sind, sondern weil sie sehr wenig Zeit haben und darum sehr schnell lesen. Komplizierte Texte lassen sich nun mal nicht im Eiltempo lesen. Im deutschen Sprachraum herrscht offensichtlich noch immer die Meinung vor, dass nur komplizierte Texte und komplizierte Sprache auch wirklich «gut» sind.

Aus diesen Gründen habe ich bis jetzt noch jedes nicht amerikanische Buch über ein Business Operating System spätestens nach zwei Kapiteln zur Seite gelegt.

Ich werde dir später in dieser Folge die aus meiner Sicht wichtigsten und bekanntesten Business-Betriebssysteme kurz vorstellen. Zuerst aber einmal ein Überblick über die verschiedenen Elemente eines Business Operating Systems.

Im Wesentlichen geht es bei einem Business Operating System darum, ein auf sich abgestimmtes Framework von Tools zur Verfügung zu stellen, dass es sowohl dem Unternehmer bzw. der Unternehmerin als auch allen Mitarbeitenden erlaubt, bestmögliche Leistung zu erbringen. Mit Tools meine ich dabei keine IT-Tools, sondern Management-Tools. Die Tools decken alle wichtigen Bereiche eines Unternehmens ab. Sie sind aber nicht Branchenorientiert. Solche Bereiche sind zum Beispiel die Strategie, die Vision, Prozesse, die Aufbauorganisation aber auch Sitzungsformate oder Teambildungs-Elemente.

Wichtig erscheint mir beim Ganzen das «Abgestimmt». Jede:r Unternehmer:in trifft fast täglich auf irgendwelche Tipps und Methoden, wie das Unternehmen noch besser geführt werden kann. Teilweise werden uns einzelne Tools sogar als heiliger Gral verkauft. Bei einem Business-Betriebssystem sind die verschiedenen Tools aufeinander abgestimmt und bilden daher eine Einheit. Es gibt für die Tools gewisse Regeln und Interaktionen. So haben die meisten der Business-Betriebssysteme ein Sitzungsformat für die wöchentliche Teamsitzung. In diesem Format werden andere wichtige Tools eingebettet wie z.B. die Rocks. Das sind die strategischen Projekte. Dank abgestimmter Business-Betriebssysteme gibt es mittlerweile auch Cloud-Software, welche die Umsetzung und Nutzung der Systeme erleichtern. Das wäre bei einem selbstgebauten System ungleich schwieriger.

Inhaltlich bestehen alle dieser Systeme aus einer kleinen Anzahl von Basis-Tools und einer mehr oder weniger grossen Fülle von Zusatztools. Die Basis-Tools beinhalten meist folgendes:

  • Eine Methode zum Festhalten der Vision
  • Ein System zur Dokumentation der Aufbau-Organisation
  • Eine Methode zur Planung und Umsetzung von strategischen Projekten
  • Ein System zum Messen von Leistung in Form von Messgrössen und KPIs
  • Vorgaben für effektive und effiziente Sitzungen

Auch gibt es für jedes bekannte Business-Betriebssystem eine Organisation mit lizenzierten Implementations-Partnern, die dir helfen, das gewählte System umzusetzen. Diese Spezialisten haben meist sehr viel Erfahrung auf ihrem System und sind bei einer «puren» Implementation sicher sehr zu empfehlen. Ob eine «pure» Implementation zu empfehlen ist, ist dann eine ganz andere Frage.

Welches sind denn nun die bekanntesten Business-Betriebssysteme. Aus meiner Sicht sind das ohne Anspruch auf Vollständigkeit die folgenden:

  • E-Myth von Michael Gerber
  • Rockefeller Habits von Verne Harnish
  • Scaling Up, die Weiterentwicklung der Rockefeller Habits von Verne Harnish
  • Great Game of Business von Jeff Stack
  • 4 Disciplines of Execution von Sean Covey, dem Sohn von Stephen R. Covey
  • EOS von Gino Wickman – Das war mein erstes Business-Betriebssystem, das ich mit einem Unternehmen umgesetzt habe. Und ich war ein paar Jahre als Professional EOS Implementer unterwegs. Weshalb ich heute nicht mehr dabei bin, werde ich später noch erläutern.

All diese Systeme und die dazugehörigen Bücher sind gut. Sie haben aber wie alles, ihre Stärken und Schwächen. Ich möchte jedes der Systeme kurz vorstellen.

Das erste System, The E-Myth von Michael Gerber habe ich in der ersten Podcastfolge schon vorgestellt. Es wendet sich primär an Mikrounternehmer:innen, also Firmen mit weniger als 10 Mitarbeitenden. Seine Stärken liegen bei der Vision, den Prozessen und der Aufbauorganisation. Es ist teilweise als Novelle geschrieben und liest sich daher sehr flüssig. Seine grössten Schwächen sind aus meiner Sicht, dass es keine Elemente für Team Health beinhaltet und auch keine KPIs und Messgrössen beschreibt.

The Rockefeller Habits von Verne Harnish ist sicher der wichtigste Vorläufer aller anderen Business-Betriebssysteme. Harnish entwirft darin bereits die Grundlagen von Scaling Up. Es ist aber bei weitem weniger umfangreich als Scaling Up. Seine Stärken sind, dass es nebst den üblichen Elementen auch schon ein Kapitel zum Markenversprechen und zu den Finanzen hat. Schwächen sehe ich vor allem bei der Team Health und im Bereich der Prozesse. Zudem ist die deutsche Version der Rockefeller Habits aus meiner Sicht nicht zu empfehlen. Sie weicht viel zu stark vom Original ab.

Scaling Up ist das mit Abstand umfangreichste System. Es deckt extrem viele Bereiche ab, ist aber durch den schieren Umfang auch sehr komplex. Wer sich an Scaling Up wagt, sollte sich unbedingt professionelle Unterstützung holen. Schwächen sehe ich bei Scaling up abgesehen von der Komplexität wenige. Wenn, dann sind sie auch hier bei der Teambildung und bei den Prozessen zu finden.

Great Game of Business von Jeff Stack kenne ich nur rudimentär aus dem Buch. Ich habe es gelesen, konnte aber ausser dem Open Book Management nur wenig neues mitnehmen. Auch kenne ich in Europa niemanden, der das wirklich so umsetzt.

Ähnlich verhält es sich mit den 4 Disziplinen der Umsetzung. Dieses System glänzt vor allem im Prozessbereich. Abgesehen davon konnte ich auch diesem System wenig neues abgewinnen.

EOS, das Entrepreneurial Operating System ist wie erwähnt das erste System, mit dem ich in Kontakt kam. Ich war damals im Verwaltungsrat eines Schweizer IT-Unternehmens tätig und bei einem Strategie-Workshop mussten wir erkennen, dass wir mit der Transformation des Unternehmens innerhalb drei Jahren keinen Schritt weitergekommen waren. Ein befreundeter Unternehmer empfahl mir anschliessend das Buch Traction von Gino Wickman, in dem EOS beschrieben ist. Wir begannen mit der Umsetzung des Systems im Unternehmen und in der Folge entschied ich mich, lizenzierter EOS Implementer zu werden. Am Anfang war ich ein grosser Fan von EOS. Heute sehe  ich es etwas kritischer – letztendlich habe ich mich auch dazu entschlossen, meine Lizenz wieder abzugeben.

Jetzt aber zu den Stärken von EOS: EOS ist in sich extrem rund und wird extrem gut vermarktet. EOS Worldwide hat unzählige Marken geschützt und pflegt diese Namen auch exzessiv. Es hat kaum ein Tool zu viel und kaum eines zu wenig. Die Tools sind alle sehr simpel. «Simple but not Easy» ist das Motto. Diese Simplizität ist aber auch oft seine Schwäche. Gewisse Tools sind aus meiner Sicht zu simpel. Unternehmertum ist schlicht nicht immer so einfach. Auch werden gewisse Bereiche wie z.B. die Strategie oder Cash-Themen komplett ausgeklammert. Abgesehen davon herrscht in der EOS-Community der Grundsatz «The World needs EOS in its Purest Form». Das heisst, es ist einem Implementer nicht erlaubt, etwas zu ändern, wegzulassen oder hinzuzufügen. Wenn ein Führungsteam Schwierigkeiten hat mit einem Tool, dann gilt es nicht, das Tool anzupassen, sondern dann ist das Team das Problem.

Ganz generell gilt, dass all die Systeme Stärken und Schwächen haben. Wer sich für eines der Systeme entscheidet, entscheidet sich auch für die Schwächen.

Da ich nicht zuletzt wegen des «Purity»-Anspruchs von EOS sowohl bestehende Kunden verloren hatte als auch Neukunden nicht gewinnen konnte, begann ich mit der Zeit auf die Wünsche meiner Kunden einzugehen und von der puren Form abzuweichen. Gleichzeitig begann EOS Worldwide ihre Implementer stärker an sich zu binden – mit einem typisch amerikanischen Franchising-Vertrag. Wie so oft im Leben bot sich just in dem Moment eine Alternative: Einige meiner erfolgreichsten Implementer-Freunde hatten zu PINNACLE gewechselt. PINNACLE wurde von Greg Cleary gegründet. Greg war einer der ersten EOS-Implementer und der langjährige Rekordhalter, was die Umsätze anbelangt. PINNACLE ist genau das, was ich mir gewünscht hatte. Das System ist offen. D.h. jede Umsetzung von PINNACLE ist anders. Jede Umsetzung wird auf das Unternehmen und den Unternehmer bzw. die Unternehmerin angepasst. Und der Werkzeugkasten ist schier unendlich. Mittlerweile haben wir gegen 100 Tools, die wir einsetzen können. Wer eine gute Idee für ein Tool hat, kann diese einbringen.

Die PINNACLE-Kunden wählen denn auch nicht ein System aus, sie wählen den «Guide», der ihnen ihr angepasstes System baut. «One Size fits it all» gibt es nicht bei PINNACLE. Genau darum liebe ich dieses System.

Egal wo du selber stehst mit deinem Unternehmen: Ich empfehle dir auf jeden Fall den Aufbau eines Business-Betriebssystems für dein Unternehmen. Ob du eines «von der Stange» nimmst und es auf dich anpasst, oder ob du dir zuerst einen «Guide» aussuchst und mit ihm dein System baust, sei dir überlassen. Was ich dir nicht empfehle, ist ein System ungefragt und ohne Anpassungen umzusetzen. Du wirst früher oder später an seine Grenzen stossen.

Ich hoffe, ich konnte dir mit dieser Folge die Welt der Business-Betriebssysteme näherbringen. In den nächsten Folgen werde ich immer wieder darauf zurückkommen. Fast alle meine Tools, die ich hier in diesem Podcast vorstelle, haben ihren Ursprung in einem der genannten Business-Betriebssysteme.

Auf jeden Fall wünsche ich dir viel Erfolg und Spass mit deinem Business. Bis zum nächsten Mal!