Folge #9: Weshalb du dich um deine Prozesse kümmern solltest

FOLGENZUSAMMENFASSUNG:

Diese Podcast-Episode beleuchtet die Bedeutung von effizientem Prozessmanagement in Unternehmen. Der Gastgeber betont die Verwendung von Checklisten als einfachen und effektiven Ansatz zur Prozessdokumentation und erklärt Schritte wie Schulung, Messung und Management. Die Episode bietet praktische Einblicke und empfiehlt Ressourcen zur Vertiefung des Themas.

In dieser Folge geht es um die Prozesse im Unternehmen. Neben den Menschen und den Projekten ist dies der dritte große Bereich, um den wir uns als Unternehmer kümmern müssen. Über Prozesse habe ich bereits in Folge 1 gesprochen. Michael E. Gerber hat sie in seinem Buch The E-Myth als eines der wesentlichen Elemente des Blueprints bezeichnet. Erst wenn wir unsere Prozesse im Griff haben, können wir uns vom Tagesgeschäft lösen und uns um die Weiterentwicklung unseres Unternehmens kümmern. In Folge 7 habe ich dir gezeigt, wie du deine Prozesse messen kannst, um festzustellen, ob sie funktionieren. In dieser Folge zeige ich dir einen einfachen Weg, wie du deine Prozesse dokumentieren, trainieren und schließlich managen kannst.

Wenn ich in meinen Workshops von Prozessen spreche, winken viele Führungskräfte ab. Sie haben schlechte Erfahrungen mit Prozessen und Prozessdokumentationen gemacht. Oft waren das riesige Flussdiagramme oder Dutzende, wenn nicht Hunderte von Seiten Prozessbeschreibungen, die kaum jemand liest. Was wir als Unternehmer also brauchen, ist eine neue Art, unsere Prozesse zu beschreiben. Wir brauchen einen Ansatz, der einfach, klar und kompakt ist und den unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch nutzen können. Das klingt schwierig, ist es aber nicht.

Das Geheimnis sind Checklisten. Eines meiner Lieblingsbücher über Prozesse ist das Checklisten-Manifest von Atul Gawande. Darin beschreibt er eindrucksvoll, wie kritische Prozesse in unserem Leben durch Checklisten sicherer gemacht wurden. Die moderne Luftfahrt zum Beispiel wäre ohne Checklisten heute nicht mehr denkbar. Einige erinnern sich vielleicht noch an die Landung einer US Airways Maschine auf dem Hudson River vor einigen Jahren. Das Flugzeug hatte einen sehr heftigen Vogelschlag durch Kanadagänse. Beide Triebwerke fielen aus. Das war eine sehr kritische Situation. Vor allem, wenn man über dicht besiedeltes Gebiet fliegt. Nur weil Pilot und Crew die Checklisten für solche Fälle akribisch abgearbeitet haben, ist zum Glück niemand ernsthaft zu Schaden gekommen. Checklisten sind aus meiner Sicht der heilige Gral der Verfahrensdokumentation. Sie sind einfach, verständlich, kompakt und effektiv. Es gibt andere Bereiche in unserer Gesellschaft, die ohne Checklisten nicht funktionieren oder wo viel mehr Fehler passieren würden: Der Bau von Wolkenkratzern, Atomkraftwerken oder auch Operationen am Menschen. Wer schon einmal operiert wurde, kann sich vielleicht noch daran erinnern, dass dem Patienten vor der Operation seltsame Fragen gestellt wurden, z.B. welche Seite operiert werden soll oder welche Art von Operation durchgeführt werden soll. So werden Fehler gezielt vermieden.

Genau das brauchen wir auch im Unternehmen. Prozessdokumentation, um die Qualität zu sichern und um sicherzustellen, dass wir unsere Ziele erreichen. Wenn wir unsere Prozesse managen, dann ist die Dokumentation sicherlich der erste Schritt. Aber Prozessmanagement geht weiter. Wir müssen sicherstellen, dass alle, die mit den Prozessen in Berührung kommen, auch geschult werden, dass die Prozesse gemessen werden und dass wir sie regelmäßig überprüfen und aktualisieren. Das Prozessmanagement selbst wird zum Prozess.

Ich möchte nun etwas näher auf die Prozessdokumentation eingehen und zeigen, wie ich das jeweils mit meinen Teams mache. Wir beginnen immer mit einem Überblick über die Wertschöpfungskette. Die Wertschöpfungskette hat im Wesentlichen drei Hauptelemente: Aufträge bekommen, Aufträge ausführen und bezahlt werden. Diese drei Elemente stellen wir auch in der Accountability Chart dar. Auf die Accountability Chart werde ich im nächsten Podcast eingehen.

Jedes dieser Hauptelemente kann nun als ein oder mehrere Kernprozesse dargestellt werden. Die Liste der Kernprozesse könnte zum Beispiel so aussehen:

  • Marketing
  • Vertrieb
  • Projekte
  • Betrieb
  • Abrechnung

Darüber hinaus gibt es weitere Prozesse, die Supportprozesse. Diese sind zum Beispiel IT-Prozesse, Buchhaltungsprozesse, Personalprozesse, Führungsprozesse, Projektmanagement-Prozesse etc. Auch diese sind für einen reibungslosen Ablauf im Unternehmen wichtig.

Wenn wir die wichtigsten Prozesse identifiziert haben, ist der nächste Schritt die Dokumentation. Ich benutze dafür eine Sharepoint-Seite. Man kann das Ganze natürlich auch auf Google Sites oder einer anderen Plattform aufbauen. Was ich definitiv nicht empfehle, sind Word-Dokumente oder ähnliche Formate – es sei denn, ich will die Dokumente wirklich ausdrucken. Ansonsten ist ein Online-Format definitiv das Richtige. Bei der Dokumentation füge ich oben ein paar Eckdaten zur Prozessgruppe ein. Das sind zum Beispiel:

  • Eine kurze Beschreibung des Verfahrens
  • Wer ist für den Prozess verantwortlich
  • Was der Prozess auslöst
  • Welche anderen Prozesse löst der Prozess aus
  • Wie der Prozess gemessen wird (KPIs und Leading Indicator)
  • Wie oft der Prozess überprüft werden soll

Anschließend definiere ich die einzelnen Teilprozesse. Die Dokumentation erfolgt, wenn möglich, in chronologischer Reihenfolge. Ich möchte das gleich an einem konkreten Beispiel erläutern. Ich nehme den Vertriebsprozess.

Eckdaten:
Die Kurzbeschreibung lautet „Der Vertriebsprozess umfasst den Weg eines Leads von der Qualifizierung bis zum erfolgreichen Vertragsabschluss.
Verantwortliche Rolle: Leiter Sales
Ausgelöst durch: Neuer Lead aus dem Marketingprozess
Löst folgende Prozesse aus: Projektstart
KPIs: Abschlüsse
Leading Indicator: Bearbeitete qualifizierte Leads pro Woche
Review: Einmal pro Jahr

Wichtigste Teilprozesse:
 1. Qualifizierung der Leads nach geografischen, demografischen und psychografischen Merkmalen
 2. Erstgespräch durchführen
 3. Vor-Ort-Präsentation durchführen
 4. Angebot erstellen
 5. Präsentation des Angebots
 6. Vertragsabschluss

Abschließend werden die einzelnen Schritte der Teilprozesse kurz beschrieben. Auch hier wieder ein Beispiel aus der obigen Liste. Qualifizierung des Leads:

 1. Recherche über den Kunden
  a) Website
  b) LinkedIn
  c) Handelsregister
 2. Folgende Informationen sollten verfügbar sein
  d) Zahl der Beschäftigten
  e) Umsatz
  f) Geografische Verteilung
  g) Hauptsitz
  h) Branche
  i) Spezialisierung
  j) Werte (falls vorhanden und auf der Website ersichtlich)
 3. Dokumentation der Daten im CRM

Wenn wir den Prozess beschrieben haben und alle Prozessbeteiligten damit einverstanden sind, können wir den Prozess etablieren. Damit der Prozess auch gelebt wird, müssen wir ihn schulen, messen und managen. Für die Schulung können wir ein LMS verwenden, „Training on the Job“ durchführen oder auch einfache Anleitungen schreiben.

Beim Messen gibt es drei verschiedene Ansätze:

  1. Frequenz: Wie oft wurde der Prozess in einer bestimmten Periode angestossen.
  2. Compliance: Wurde der Prozess eingehalten?
  3. Resultate: Hat der Prozess die gewünschten Resultate geliefert?

 

Ergebnisse: Hat der Prozess zu den gewünschten Ergebnissen geführt?

Einen Prozess zu managen bedeutet, dafür zu sorgen, dass die Messgrössen stimmen. Konkret, dass die Prozesse reibungslos in der gewünschten Häufigkeit ablaufen, eingehalten werden und auch die gewünschten Resultate liefern. Über Prozessmanagement könnte man leicht eine eigene Serie produzieren. Deshalb belasse ich es hier einmal bei dieser Übersicht.

Wichtig erscheint mir, dass wir uns bewusst werden, dass wir als Unternehmer:innen dafür verantwortlich sind, dass unsere Prozesse dokumentiert, geschult, gemessen und gemanagt werden. Das können wir aber nicht ohne unsere Mitarbeiter:innen. Gerade bei der Dokumentation ist es wichtig, die Menschen einzubeziehen, die täglich mit den Prozessen arbeiten. Sie wissen, wie man etwas am besten macht, und von diesem Wissen sollten wir profitieren.

Leider gibt es relativ wenig Literatur über Prozesse, die einfach nur das Thema beleuchtet. Die meisten Bücher sind sehr akademisch und gehen schnell ins Detail. Aber es gibt einige wenige. Was ich empfehlen kann, sind die folgenden zwei:

Process! von Mike Paton beschreibt Prozesse aus der Sicht von EOS. Die Prozesskomponente ist mit Abstand die schwächste im Entrepreneurial Operating System. Paton gleicht das mit seinem Buch teilweise aus. Es ist aber, wie alles in EOS, relativ einfach gehalten und aus meiner Sicht noch recht oberflächlich. https://amzn.to/3DEzkhm

Das zweite und aus meiner Sicht bessere Buch ist „The Business Playbook“ von Chris Ronzio. Ronzio bietet wirklich praktische Ansätze zur Prozessdokumentation, die auch für KMU sehr gut funktionieren. https://amzn.to/478FmVe

Nicht zu vergessen natürlich das Buch „Checklist Manifesto“. Eine sehr unterhaltsame Lektüre, die ich jedem nur empfehlen kann. https://amzn.to/3rOvr70

In der nächsten Folge stelle ich dir das Accountability Chart etwas näher vor und zeige dir, wie du dein Organigramm so gestalten kannst, dass es nicht nur Kästchen mit Namen enthält, sondern hilft, die Verantwortlichkeiten im Unternehmen zu klären.

In jedem Fall wünsche ich dir viel Erfolg und Spaß mit deinem Unternehmen. Bis zum nächsten Mal!